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Vom Kreisverkehr zum Betriebserlebnis (3) |
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Betrieb nach FahrplanBei der Urform der Anlage Seldwyla, welche nur zwei Bahnhöfe umfasste, brauchte ich keinen Fahrplan. Auf so einer kleinen Nebenbahn ist der Betrieb überschaubar. Die immer gleichen Personen- und Güterzüge, und hier und da ein Express, der sich nach Obertupfingen "verirrte", konnte ich auch ohne grafischen Fahrplan sinnvoll abwickeln. Oder hatte ich den einfachen Fahrplan gar im Kopf? Seit die Anlage modular erweitert ist, stosse ich mit dem Prinzip "ich könnte ja mal diesen oder jenen Zug fahren lassen" an eine Grenze. Da nicht Obertupfingen, sondern Seldwyla das regionale Zentrum ist, habe ich nun - ohne es zu wollen - eine einspurige Hauptbahn mit abzweigender Nebenbahn. Es gibt sogar zwei Abzweige! Ich ertappe mich oft dabei, dass ich den Betrieb auf den abzweigenden Linien schlicht vergesse. Abhilfe kann hier ein Fahrplan schaffen. Er kann eine Chance sein, die Hauptbahn mit abzweigender Nebenbahn doch noch sinnvoll zu betreiben. Der Fahrplan ordnet die Zugfahrten, gewährleistet die Anschlüsse und entspricht den natürlichen Verkehrsbedürfnissen. Betrachten wir dazu eine einspurige Nebenbahn mit abzweigender Stichbahn:
Schräge Linien bedeuten fahrende Züge; horizontale Linien bedeuten stehende (wartende) Züge - wobei "Warten" auch Rangierdienst einschliessen kann. Dort, wo sich zwei Linien kreuzen, müssen zwangsläufig wenigstens zwei Gleise vorhanden sein, sonst knallt es... a) - dieser Zug fährt von Ebertswil nach Beromünster und wieder zurück. b) - Dieser Zug befährt von Aadorf die "grosse" Strecke in Richtung Beromünster, wo ein Anschluss nach Ebertswil gewährleistet wird. Anschliessend fährt der Zug über Celerina nach Dachsen und wieder zurück. c) - Dieser Zug fährt von Ebertswil direkt nach Aadorf und wieder zurück. Das gezeigte Streckenkonzept und der Fahrplanausschnitt sind sicher verbesserungsfähig. Es geht mir mit diesem Beispiel nur darum, die Grundfunktionen des grafischen Fahrplans zu zeigen. Der Fahrplan hilft uns, für alle Verkehrsbedürfnisse auch tatsächlich Zugfahrten durchzuführen. Ich habe kurze Zeit nach Erstellung dieses Artikels einen einfachen Fahrplan für meine Anlage Seldwyla im Vollausbau erstellt. Da die Anlage mehrere Abzweigende Strecken hat, war bereits das Aufzeichnen eines sinnvollen Streckenkonzepts ein ganz schönes Stück Denkarbeit. Manche Modellbahner fahren nach Fahrplan und Uhrzeit. Dabei wird meistens eine "Modellzeit" verwendet, welche gegenüber der tatsächlichen Zeit beschleunigt ist. So können die (im Vergleich zum Vorbild) viel zu kurzen Strecken kompensiert werden. Die einfachste Möglichkeit zur Schaffung einer Modellzeit ist, eine normale Uhr (z.B. einen Wecker) zu nehmen und den Stundenzeiger weg zu denken. Der Minutenzeiger wird dann zum Stundenzeiger - eine Stunde Modellzeit dauert demnach "echte" fünf Minuten: Eine Beschleunigung um Faktor 12. Ich habe das in den 80er Jahren ausprobiert. Eine kleine Punkt-zu-Punkt-Anlage mit drei Bahnhöfen, schnell aufgebaut aus einigen Holzeisenbahngleisen und drei Weichen. (Die Holzeisenbahn mit ihren Steckgleisen ist brutal schnell und genial für solche konzeptionellen "quick and dirty" Versuche!) Zwei oder drei Holzeisenbahnzüge. Dazu einen grafischen Fahrplan und die Uhr, 12mal beschleunigt. Und es hat funktioniert! Dies waren meine ersten - druchaus erfolgreichen - Erfahrungen mit Betrieb nach Fahrplan. Dabei habe ich allerdings auch bemerkt, dass ich nicht Sklave der Uhr werden möchte. Es geht aber auch einfacher. Wenn der Zug um 8.15 in Dachsen losfahren soll, können wir, nachdem wir fertig sind mit den übrigen Aufgaben, auch einfach losfahren in Dachsen und sagen: "Jetzt ist 8.15"... Gerade für die Heimanlage ist dieses Vorgehen sinnvoll, da man sonst oft einfach auf den Zeiger an der Uhr wartet. Die effektivste Methode zur Fahrzeitverlängerung ist ohnehin, vorbildlich langsam zu fahren. 80km/h geteilt durch 160 ergibt für meine Spur N Nebenbahn 14cm/s "Modellgeschwindigkeit". Manchmal - besonders mit Stangenloks - fahre ich auch noch ein wenig langsamer, weil die Triebwerke der Stangenloks dann besser zur Geltung kommen. Güterverkehr: Wagenkarten und FrachtzettelBei der Urform der Anlage Seldwyla, welche nur zwei Bahnhöfe umfasste, hatte ich die paar Güterkunden und ihre Bedürfnisse im Kopf. Seit die Anlage modular erweitert ist und zahlreiche weitere Güterkunden vorhanden sind, stosse ich mit dem Prinzip "ich könnte ja mal diesen oder jenen Güterwagen zustellen" an eine Grenze. Manche Ladestellen bediene ich praktisch nie, da ich sie schlicht und einfach vergesse. Abhilfe kann hier das "Bahnbüro" mit einer angepassten Menge Papierkram schaffen.
Das System mit Wagenkarten und Frachtzettel ist weitverbreitet. Für jeden Güterwagen gibt es eine kleine Papiertasche, welche Wagenkarte genannt wird. Diese Karte ist mit Informationen zum betreffenden Wagen beschriftet, wie z.B. den Wagentyp (Schiebewandwagen Hbbillns), den Eigentümer (SBB), die Nummer (21 85 245 7 000-7) usw. Vor jeder Betriebsperiode wird jeder Wagenkarte ein Frachtzettel zugeordnet, ein kleines Papierstück, das in die Tasche gesteckt wird mit Informationen zu Ladung und deren Start und Ziel. Am Ziel kann der Frachtzettel umgedreht werden und gibt dann weitere Informationen. Dieses System ist ausserordentlich leistungsfähig und vielseitig. Die Fremo-Gruppe AmericaN bietet weitere Erklärungen und Druckvorlagen für Wagenkarten und Frachtzettel zum herunterladen an, die sich in der Praxis vielfach bewährt haben. Sie sind zwar in Englisch gehalten, müssen daher ein wenig "germanisiert" werden. Das sollte jedoch kein Problem sein und würde etwa so aussehen wie im Bild oben. Das eigentliche Problem ist, dass bei einem grossen Güterwagenpark viele, viele Wagenkarten und Frachtbriefe erforderlich sind. Diesem sehr grossen Initialaufwand bin ich bisher immer aus dem Weg gegangen. Güterverkehr: RangierlisteDie Rangierliste ist ein einfacheres System, das sich ebenfalls in der Praxis vielfach bewährt hat. Das Bild unten zeigt die Rangierliste für den Güterzug, den wir im Kapitel Betriebserlebnis von Seldwyla nach Obertupfingen geführt haben:
Ich hatte zwar bisher keine Rangierlisten auf Papier verwendet. Aber beim Schreiben dieses Abschnitts ist mir aufgegangen, dass ich meine Güterzüge immer nach exakt solchen Anweisungen fahren liess - ich hatte eine Rangierliste im Kopf, ohne mir dessen bewusst zu sein! Ich habe daher kurze Zeit nach Erstellung dieses Artikels Rangierlisten für meine Anlage erstellt. So ist nun sichergestellt, dass auch jene Güterkunden bedient werden, die ich ohne vorgefertigte Liste andauernd vergass. Rangierlisten oder auch Wagenkarten und Frachtzettel sind eine Möglichkeit, Sinn und Ziel in den Güterverkehr zu bringen. Vor allem dann, wenn der eigene Einfallsreichtum am Ende ist. Wider den tierischen ErnstEinige Hardcore-Modellbahner - vor allem im Dunstkreis des Fremo - sind der Meinung, eine Modellbahn sei nur dann realitätsnah, wenn sie geradezu als "Eisenbahnsimulation" betrieben werde. Dazu seien Betrieb nach Fahrplan und Uhr sowie Wagenkarten und Frachtzettel unverzichtbar, weil nur so gewährleistet sei, dass die ausgeführten Bewegungen "von aussen" angefordert würden. Die Eisenbahner fahren ja schliesslich nicht nach eigenem Gutdünken herum, sondern führen nur Aufträge eines Systems aus, das grösser ist als sie selbst. Diese Meinung teile ich nicht. Fahrplan, Wagenkarten und Frachtzettel können wertvolle Hilfsmittel sein - als Selbstzweck lehne ich sie ab. Modelleisenbahn spielen muss Spass machen. Wenn der Betrieb beinahe mit mehr "tierischem Ernst" durchgeführt wird als bei der "echten" Eisenbahn, stimmen für mich die Verhältnisse nicht mehr. Die Beschäftigung mit dem Modellbahnhobby soll für die meisten Menschen Entspannung, Erholung und natürlich auch Herausforderung sein. Wenn das Spielerische dabei verloren geht, ist irgend etwas über das Ziel hinausgeschossen. Bertold Langer schreibt in Miba Spezial 57 "Traumanlagen": "Grundsätzlich besteht unsere Idealvorstellung darin, ein faszinierendes Verkehrsmittel sozusagen nach Hause mitzunehmen, mit all den Erinnerungen und Assoziationen... Als Eisenbahnpassagiere oder Lokführer möchten wir am liebsten mitfahren; als Beobachter sollen vorbeirasende Züge uns bis ins Mark erschüttern... Dem werden Anlagen gerecht, welche möglichst grosse Fahrstrecken aufweisen und ideale Beobachtungsposten bieten. Alles andere sind Zutaten." Die flexible Anlage: Punkt zu Oval
Bertold Langer propagiert das Punkt-zu-Oval-Konzept. Entscheidend sind die im Bild rot eingezeichneten Gleiswechsel. So erhalten wir eine Anlage, die vielfältige Verkehre ermöglicht:
So gewinnen wir das Beste aus allen Philosophien und haben jederzeit die Wahl. Wollen wir intensiv rangieren mit Güterverkehr? Oder sind wir müde und wollen einfach ein paar Züge gucken? Kommt Besuch, dem wir ein paar kreisende Züge vorführen wollen? Oder wollen wir den Besuch gar selber fahren lassen? Die Anlage unterstützt alle Wünsche.
Meine Anlage Seldwyla im Vollausbau entspricht diesem Konzept. Und sie bewährt sich: Mit Kleinkindern oder Besuch kann ich Züge kreisen lassen; mit 2-3 Schulkindern oder Hobbykollegen kann ich vielfältigen Mehrpersonenbetrieb machen; und mit meinem Sohn oder einem Modellbahnfreund kann ich Güterwagen rangieren. Und alle dürfen selbst fahren mit dem Handregler. Bei ungeübten Mitspielern sorge ich für richtig gestellte Weichen. Über die Grenzen hinausWeiter oben haben wir schon gesehen: Die heile Welt der Modelleisenbahn stösst an den vier Wänden des Hobbyraums jäh an ihre Grenzen, und es ist schwierig, in einem Raum von einigen m2 die "ganze Welt" abzubilden. Verschärfend hinzu kommt, dass manch einer - ich eingschlossen - insgeheim doch von der hallenfüllenden Grossanlage träumt.
Die Lösung heisst Modulbau. Der Modulbau hat meine eigene Modellbautätigkeit auf vielfältige Weise beflügelt:
Für Otto O. Kurbjuweit, einer der Gründer des Fremo, ist Modulbau allerdings "nur" eine Lehrlingswerkstatt, um Neues zu lernen. 1996 sagte er anlässlich des 15-Jahr-Jubiläums des Fremo: "...Die Meisterschaft erwerbt ihr nur beim Bau einer eigenen Anlage. Weil ein Modul – und sei es noch so perfekt – kein Ganzes ist... Nur beim Bau und Betrieb einer (ganzen) Anlage könnt ihr beweisen, dass ihr... alles... könnt." Ich sehe das nicht so eng. Zwar möchte ich nicht auf meine Ganzjahres-Heimanlage verzichten. Aber die Modulgruppe, das ist für mich wie ein Symphonieorchester: Jeder trägt etwas bei, und zwar jeder etwas anderes, seinen Stärken entsprechend. Erst dann gibt es zum Schluss eine Symphonie, einen "Zusammenklang". Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile! Das Mitmachen in der Modulgruppe ist nicht Konkurrenz, sondern Ergänzung zur Anlage im stillen Kämmerlein. "Über die Grenzen hinaus" hat aber noch weitere Aspekte: Anlagen sollten teilbar und transportierbar sein. Sind sie es nicht, fallen sie spätestens beim nächsten Umzug der Abrissbirne zum Opfer. Dies war mir immer ein Greuel. Daher achtete ich schon bei Planung und Bau der ursprünglichen, kleinen Anlage Seldwyla darauf, dass die Anlage in handliche Stücke zerlegt werden kann, die durchs Treppenhaus passen. Tatsächlich hat die Anlage denn auch mehrere Umzüge problemlos überstanden. Und Anlagen sollten etappierbar und erweiterbar sein. Das ermöglicht, heute das zu bauen, wozu Platz und/oder Zeit reichen: ein überschaubares Projekt, das bereits viel Betrieb und Modellbahnspass ermöglicht. Und wenn sich später die räumlichen oder zeitlichen Möglichkeiten entspannt haben, braucht die Anlage nicht abgebrochen und ersetzt zu werden, sondern kann erweitert und vergrössert werden. NachwortDies sind meine Erfahrungen mit ganz verschiedenen Modellbahnkonzepten. Aus meiner Sicht haben sich manche nicht bewährt, vor allem im Hinblick auf den Einpersonenbetrieb. Und der Einpersonenbetrieb bleibt wichtig, obwohl ich entdeckt habe, dass der Modellbahnbetrieb zusammen mit Freunden ebenfalls ungeheuer Spass machen kann. Natürlich meine ich nicht, dass ich hier die "einzig mögliche Sicht" dargelegt habe. Aber wenn dir der eine oder andere Gedanken eine Hilfe ist für den erfolgreichen Umgang mit dem schönsten Hobby der Welt, freue ich mich.
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